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K.P. Andrießen:

Journalist

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Veröffentlicht im Weilburger Tageblatt und auf mittelhessen.de

Publikum feiert Weltmusik

Pianistin Nosrati spielt Bach vom Feinsten und reist mit Band in den Orient

Von Klaus P. Andrießen

Weilburg.Neue Einblicke in die Kunst der Pianistin Schaghajegh Nosrati hat das Publikum der Weilburger Schlosskonzerte am Sonntag gewonnen und mit Beifallsstürmen gefeiert. In der Unteren Orangerie gastierte die Bochumerin aus iranischer Familie als Solistin und mit dem Joolaee Trio ihres Ehemannes Misagh Joolaee.

 

Von Johann Sebastian Bach führte das Programm bis in den Orient. Die aufschlussreiche und außerordentlich spannende musikalische Weltreise kam bei den Besuchern bestens an. Bereits am Samstagabend hatte die Pianistin mit einem wunderbaren Klavierkonzert von Beethoven im Renaissancehof die Zuhörer begeistert.

 

Den ersten Teil ihres zweiten Weilburger Konzertes widmete Schaghajegh Nosrati Johann Sebastian Bach (1685-1750), als dessen Interpretin sie einen hervorragenden Ruf genießt. Beherzt stürzte sich die 35-Jährige in Bachs Chromatische Fantasie und Fuge BWV 903 - ein rund elf Minuten langes Stück, das den Solisten auch als Improvisator herausfordert. Das Publikum konnte sich freuen über Nosratis fein dosierten Anschlag, erlebte Motive, die sich kunstvoll ineinander fügen und wie in einem Kaleidoskop wieder auffächern. Was Fantasie und Fuge bedeuten, das erschloss sich den Zuhörern klar und direkt. Eleonore Büning beschreibt das Werk im Begleitheft zur CD „Fantasia“ von Igor Levit so: „Ein Meisterwerk in d-Moll, das in seiner vollendeten Konvergenz von subjektiver Idee und formaler Regelhaftigkeit zum Ansporn und Muster wurde für sämtliche Grenzüberschreitungen künftiger Tonschöpfer.“

 

Kaum war der große Applaus für dieses Stück verhallt, da setzte die Solistin bereits zur Partita Nr. 4 BWV 828 an, die sie in vollendeter Schönheit erklingen ließ. Virtuos spielte Schaghajegh Nosrati mit Melodien und Rhythmen, ließ die ordnende Macht des Kontrapunktes deutlich werden, ohne ihn in den Vordergrund zu rücken. Immer wieder begeisterte die analytische Differenziertheit ihres mehrstimmigen Spiels, das die Weite und Schönheit der Bach’schen Musik charakterisiert. Egal, ob die Noten irrwitzig schnell aufeinander folgten oder in langsamen Stellen wie einzelne Lichter in einer weiten Landschaft aufleuchteten, stets führten die zeitlichen Abläufe zu einem tiefen musikalischen Empfinden. Nach dieser Leistung hielt es die Zuhörer kaum mehr auf den Sitzen. Dreimal musste die Pianistin auf die Bühne zurückkehren, weil der Applaus noch immer nicht endete.

 

Nach der Pause und dem ersten Stück voller neuer musikalischer Eindrücke („Marmarameer“) ergriff Schaghajegh Nosrati das Mikrofon: „Schön dass Sie zu dieser sehr besonderen zweiten Hälfte geblieben sind. Wir, das Joolaee Trio, finden in Bachs Werk viele Inspirationen für unsere neuen Stücke. Mein Mann Misagh kommt von der klassischen persischen Musik, das Klavier verkörpert den westlichen Ton und Sebastian Flaigs Percussion hat ihre Wurzeln sowohl im Jazz als auch in der orientalischen Tradition.“

 

Hatten die Zuhörer schon das erste Stück des Trios aufmerksam und mit Gefallen verfolgt, so steigerte sich dieses - dem immer umfangreicher gespendeten Applaus nach zu urteilen - im Lauf des Abends von Mal zu Mal. Neben fünf Stücken von Joolaee, der mit drei CDs in Folge Preise der Deutschen Schallplattenkritik errungen hat, spielte das Trio auch je ein Werk von Schaghajegh Nosrati und Sebastian Flaig - beide ebenfalls Träger von Preisen der Schallplattenkritik.

 

Die Musik war derart vielfältig, aufregend und ungewöhnlich, dass sie nur schwer zu beschreiben ist. Die Kombination von Klavier, Kamancheh und vielfältiger Percussion erzeugte einen weltmusikalischen Sound der seinesgleichen sucht. Die im weitesten Sinne geigenähnliche Kamancheh lieferte dabei mit ihrem ungewöhnlichen Klang die Grundfarbe der Stücke. Sie war jedoch nicht dominant, sondern bildete mit dem Klavier und den vielfältigen Trommeln und anderen Rhythmusinstrumenten stets eine harmonische Einheit. Flaig begeisterte die Zuhörer ganz besonders mit seinem Stück „Fragile Balance“, das aus einer Fülle rhythmischer Strukturen eine mitreißende Vorstellung entwickelte.

 

Dem teils im Stehen reichlich gespendeten Applaus, den Begeisterungsrufen und „Zugabe“-Wünschen folgten die drei Musiker mit einem Stück aus Aserbaidschan, bevor sie sich endgültig verabschiedeten. Mehr von ihrer Musik soll schon bald auf einer CD des Trios zu hören sein. Manche Zuhörer trugen sich bereits auf der ausliegenden Interessentenliste ein.

Begeistern mit Weltmusik zwischen Bach und Orient: Pianistin Schaghajegh Nosrati, Misagh Joolaee und Sebastian Flaig.
Fotos: Klaus Andrießen



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